Konkurrenzsituation führt zu Preisverfall

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Wirtschaftswissenschaftler Prof. Radermacher referiert bei Veranstaltung des Vereins Wirtschaft für Bad Nauheim

Wetterauer Zeitung vom 20.11.2001
Bad Nauheim (ist). Unternehmer aus der Kurstadt hatte der Verein für Wirtschaft für Bad Nauheim zu einem Informationsnachmittag ins Badehaus 2 des Sprudelhofs eingeladen. Nach einem Sektempfang und einer Führung durch die historischen Badeanlagen stellte sich der Vereinsführung vor, um weitere Firmeninhaber zur Mitgliedschaft und Mitarbeit zu gewinnen. Der bisherige Schriftführer Stefan Wendt und seine Nachfolgerin Maria Christin Schachl erläuterten den zahlreichen Gästen die Ziele des Klubs. Wichtigste Aufgabe sei es, die Wettbewerbsfähigkeit Bad Nauheims zu erhalten. Wie Wendt erklärte, arbeiteten Wirtschaft, Handel und Dienstleistungsbetriebe eng zusammen. Laut Schachl will die Organisation die Lebens- und Wohnqualität in der Kurstadt steigern, Standortvorteile ausbauen und die Wirtschaftsleistung der Stadt erhöhen.
Schachl: "Vorteile bietet die Stadt viele: eine hervorragende Schul- und Ausbildungssituation, eine mit anderen Städten kaum vergleichbare Dichte an renommierten Fachkliniken, die Nähe zur Wirtschaftsmetropole Frankfurt sowie eine gute innerstädtische Infrastruktur." Wirtschaft für Bad Nauheim möchte den Dialog zwischen den Unternehmern zum gegenseitigen Nutzen fördern, Informationen bereit stellen und konkrete Hilfestellungen anbieten. Ein Beispiel: Auf der neuen Homepage des Klubs wird es nach Angaben Wendts auch einen Stellenmarkt geben.
Die zahlreichen Zuhörer waren auch gekommen, um den Vortrag des Wirtschaftsexperten Prof. Franz-Josef Radermacher zum Thema "Global denken, lokal handeln" zu hören. Der Verlust der Schutzfunktion der Grenzen stelle die Wirtschaft heute vor völlig neue Konkurrenzsituationen, so Radermacher: "Diese Hindernisse boten auch klare Vorteile, die durch die fortschrittliche Informationstechnologie unserer Zeit weggespült worden sind." Die Konkurrenz zwischen den Ländern führe zu einem Preisverfall.

"In der Breite oder in der Spitze gut"
Alle entwickelten Länder, auch Deutschland, strebten einen sozialen Ausgleich in der Bevölkerung an. Dies sei allerdings mit viel Aufwand, hohen Steuern und einem großen Maß an Bürokratie verbunden. "Wenn man in der Breite gut ist, dann kann man es nicht in der Spitze sein", betonte der Wirtschaftswissenschaftler. Wenn beispielsweise die medizinische Versorgung für alle gleichermaßen gut sei, könne man in der medizinischen Forschung nicht gleichzeitig Weltklasse sein. Deshalb seien zwar immer noch viele Nobelpreisträger Deutsche, sie arbeiteten allerdings alle an amerikanischen Instituten. Umgekehrt seien die USA in vielen Bereichen Weltspitze, allerdings auf Kosten einer schlechten Versorgung der armen Bürger und eines schlechten Ausbildungsangebots. Der Einkauf von Fachkräften aus dem Ausland - die Hälfte der amerikanischen Professoren stamme heute aus Asien - sei billiger als eine Ausbildung im eigenen Land.
"Dagegen kommt man mit alter europäischer Logik nicht an. Wir sind gezwungen, Dinge zu ändern, nicht aus dem Grund, weil sie schlecht sind, sondern um konkurrenzfähig zu bleiben", sagte Radermacher. Die globale Konkurrenz zwinge dazu, gewachsene soziale Standards zurückzunehmen.
Eine der zentralen Herausforderungen im neuen Jahrtausend sei eine nachhaltige Entwicklung. Die Erde sei heute bedroht durch eine immer rascher wachsende Weltbevölkerung, ungebremsten Verbrauch von Ressourcen, zunehmende Umweltbelastungen und die Beschleunigung von Innovationsprozessen. Informations- und Kommunikationstechnologie öffneten gute Chancen für langfristige und tragfähige Lösungen - noch nie sei es so preiswert und umweltverträglich möglich gewesen, Menschen überall auf der Welt einzubeziehen.

files/wfbn/presse/Presse_2001/Radermacher.jpg"Vernünftige Doppelstrategie"
Dies erfordere allerdings globale Lösungen, die allen Menschen positive Zukunftsperspektiven böten, eine Verringerung der Differenz zwischen Arm und Reich sowie eine weltweite Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards. Die Industrieländer müssen nach Ansicht des Referenten die Kyoto-Verpflichtungen erfüllen, gegen die es leider nationale Widerstände gebe. "Wenn wir diese Chance nicht nutzen, werden gnadenlose Wettläufe um die Nutzung der Naturressourcen entstehen, verbunden mit einer Abwärtsspirale der Weltwirtschaft".
Eine vernünftige Politik der entwickelten Länder könne in einer Doppelstrategie bestehen. Zum einen müssten vernünftige Angebote für eine weltweite Zusammenarbeit gemacht werden, zum anderen gelte es, das Notwendigste zu tun, um sich in internationalen Auseinandersetzungen behaupten zu können. Radermacher: "Wir müssen uns auf den Weltmärkten behaupten und dabei schmerzhafte Anpassungen in Kauf nehmen". Der 51-Jährige forderte mehr Flexibilität und Leistungsbereitschaft, längere Arbeitszeiten für
Personal mit besonderen Fähigkeiten, Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen, bei den
Sozialausgaben und Renten.

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